Stimmen zur Streckung der Atomenergie

Quelle: Haller Kreisblatt

Die Energiekrise spitzt sich zu. Angesichts ausbleibender Gaslieferungen aus Russland prüft die Bundesregierung, die Laufzeit der verbliebenen Kernkraftwerke zu verlängern. Nach derzeitiger Gesetzeslage müssten die Atommeiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 zum 31. Dezember abgeschaltet werden. Wie stehen die Haller Grünen zu der Frage eines Weiterbetriebs?

Dieter Jung, Umweltausschussvorsitzender, hat hier eine klare Position: „Die Diskussion um die Streckung des Betriebs ist eine Scheindebatte“, sagt er. Letztlich spreche man dabei über maximal sechs Prozent der Stromerzeugung. „Damit bekommt der Atomstrom ein politisches Gewicht, das ihm nicht zusteht“, so Jung.

Statt über eine Verlängerung von Laufzeiten zu diskutieren, solle man sich seiner Auffassung nach mehr auf mögliche Einsparungen konzentrieren. „Die Entscheidung darüber, ob es sinnvoll und notwendig ist, den Betrieb von Atomkraftwerken zu strecken, sollten wir aber Experten überlassen. Und dazu zähle ich nicht die Herren Söder und Lindner“, sagt Dieter Jung. Er hält es mit der Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Claudia Kemfert, die in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erklärte, dass Aufwand und Ertrag für eine Laufzeitverlängerung „in keinem Verhältnis“ stünden.

Friederike Hegemann, Sprecherin der Grünen-Fraktion, sieht es ähnlich wie Dieter Jung. „Ich glaube zunächst, dass wir alle deutlich mehr Energie sparen könnten, wenn wir wollten. Letztlich kann ich nicht entscheiden, wie sinnvoll es in dieser Situation ist, Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen. Darüber müssen Experten entscheiden. Wenn sie sagen, es ist sinnvoll, dann müssen wir es eben tun.“

Die Vorstandssprecherin der Haller Grünen, Veronika Karpf, will hier keine Kompromisse eingehen. „Ich stehe der Verlängerung ablehnend gegenüber“, sagt sie. Der Atomausstieg sei schließlich Grüne DNA. „Ich fand es schon überraschend, dass unser grüner Wirtschaftsminister es überhaupt geprüft hat“, erklärt sie. Persönlich noch schlimmer allerdings fände sie es, wenn man in dieser Situation am Kohleausstieg rütteln würde. Und das nicht nur aus Gründen der CO2-Belastung. „Ich denke hier an die Dörfer, die wegen des Tagebaus verschwinden. Man möge sich überlegen, wie es wäre, wenn in Halle plötzlich die Kirche abgerissen würde.“

Helga Lange ist zwar eine andere Generation von Grünen-Politikerinnen als Veronika Karpf, ihre Haltung zur Frage der Laufzeitverlängerung unterscheidet sich jedoch nicht von der der 32-Jährigen. „Für mich ist es ganz klar. Ich komme aus der Anti-Atomkraftbewegung und ich habe als junge Mutter Tschernobyl erlebt. Ich lehne eine Laufzeitstreckung ab. Was da gerade passiert, ist doch eine Ablenkungsdebatte“, sagt die 72-Jährige. „Eine Ablenkung von Versäumnissen der Vergangenheit.“

Eine Laufzeitverlängerung würde, so Helga Lange, zudem mit enormen Kosten verbunden sein, da zunächst umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen stattfinden müssten. „Statt alte Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, sollte man Geld und Energie in Alternativen stecken. Das wäre ein zukunftsorientierte Politik.“

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